13. November 2020
WEG § 3 Abs. 1

Reform des Wohnungseigentumsgesetzes; Vollzug von Teilungserklärungen, die Stellplätze ohne Maßangaben enthalten

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 180895
letzte Aktualisierung: 13. November 2020

WEG §§ 3 Abs. 1, 47, 48 n. F.
Reform des Wohnungseigentumsgesetzes; Vollzug von Teilungserklärungen, die
Stellplätze ohne Maßangaben enthalten

I. Sachverhalt

Am 1.10.2020 wurde eine Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung beurkundet, die unter
anderem 100 Tiefgaragenstellplätze enthält, an denen Sondereigentum gebildet werden soll.
Darüber hinaus sind 50 weitere Stellplätze im Freien vorgesehen, an denen Sondernutzungsrechte
begründet werden sollen. Entsprechend der am 1.10.2020 geltenden Rechtslage enthalten
der Aufteilungsplan und die Abgeschlossenheitsbescheinigung bzgl. der Tiefgaragenstellplätze
und der Stellplätze im Freien keine Maßangaben, sondern nur grafische Darstellungen. Beim
späteren Bau sollen die Tiefgaragenstellplätze mit weißen Markierungen auf dem Boden gekennzeichnet
werden.

Die Urkunde wurde dem Grundbuchamt am 15.10.2020 zum Vollzug vorgelegt. Am
22. Oktober 2020 wurde das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung
des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften
(Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) im Bundesgesetzblatt verkündet
(BGBl. Teil I vom 22 Oktober 2020, Seite 2187).

II. Fragen

1. Bestehen Bedenken gegen einen Vollzug der Teilungserklärung im Grundbuch bis zum
30.11.2020?

2. Kann die Teilungserklärung auch noch ab dem 1.12.2020 im Grundbuch vollzogen werden?

3. Sind bzgl. des Vollzugs der Gemeinschaftsordnung Besonderheiten zu beachten?

III. Zur Rechtslage

Vorbemerkung: Die im Folgenden mit „WEG“ zitierten Paragraphen beziehen sich auf die ab
dem 1.12.2020 geltende Fassung. Soweit sie sich auf die bis zum 30.11.2020 geltende Fassung
beziehen, sind sie mit „a.F.“ gekennzeichnet. Eine ausführliche Synopse ist bspw. abgedruckt im
Anhang zu Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020 und Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021.

1. Allgemeines zu den Änderungen durch das WEMoG

Auf sachenrechtlicher Ebene ergeben sich durch das WEMoG insbesondere folgende Neuerungen:
Nach § 3 Abs. 1 S. 2 WEG gelten (alle) Stellplätze als Räume i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1
WEG. Zukünftig können also auch Stellplätze im Freien als Sondereigentum ausgestaltet
werden. Gem. § 3 Abs. 2 WEG kann zudem Sondereigentum auch auf einen außerhalb des
Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks (Freiflächen) erstreckt werden, es sei denn, die
Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache.

2. Möglichkeit zur Begründung von Sondernutzungsrechten an den Stellplätzen im
Freien

Die Möglichkeit, Sondernutzungsrechte einzuräumen, wird durch die Reform nicht beseitigt
(BT-Drucks. 19/18791, 31, 32, 39) und bereits begründete Sondernutzungsrechte verlieren
nicht ihre Wirkung. § 3 Abs. 1 S. 2 WEG und § 3 Abs. 2 WEG schaffen also zusätzliche
Gestaltungsoptionen, die im Vergleich zu Sondernutzungsrechten gewisse Vorteile bieten
(insbesondere Schutz durch notarielle Form bei der Übertragung, gesicherte Möglichkeit des
gutgläubigen Erwerbs). Die Möglichkeit der Einräumung von Sondernutzungsrechten wird
jedoch durch die Neuregelung nicht beseitigt.

Das Gesetz fordert für Sondernutzungsrechte auch keine Maßangaben. § 3 Abs. 3
WEG ist vom Wortlaut her insofern eindeutig. Denn dort heißt es dass Sondereigentum
nur eingeräumt werden soll, wenn „[…] Stellplätze sowie außerhalb des Gebäudes liegende
Teile des Grundstücks durch Maßangaben im Aufteilungsplan bestimmt sind.“ Die ganze
Norm bezieht sich insgesamt nur auf die „Einräumung von Sondereigentum“ und nicht auf
Sondernutzungsrechte. Die Anforderungen an die Pläne von Sondernutzungsrechten
wurden nicht erhöht. Da sich die Rechtslage bzgl. der Sondernutzungsrechte überhaupt
nicht ändert, kann die vorliegende Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung im
Grundbuch bzgl. der Sondernutzungsrechte vollzogen werden, unabhängig davon, ob
dies bis zum 30.11.2020 oder danach geschieht. Die Gestaltung mit Sondernutzungsrechten
kann sich künftig also insbesondere dann empfehlen, wenn die Flächen, auf die sich die
Sondernutzungsrechte beziehen sollen, nicht einfach mit Maßangaben dargestellt werden
können. Diese Fälle dürften jedoch selten sein, bspw. wenn die Grenzlinien von Gärten
nicht gerade verlaufen, sondern in Bögen oder Rundungen (Palandt/Wicke, 80. Aufl. 2021,
§ 3 WEG Rn. 13).

3. Sondereigentum an Tiefgaragen-Stellplätzen

§ 3 Abs. 3 WEG sieht für Stellplätze (auch für Tiefgaragen-Stellplätze) und außerhalb des
Gebäudes liegende Teile des Grundstücks (sofern sie Sondereigentum werden sollen) verfahrensrechtlich
zwingend Maßangaben im Aufteilungsplan vor. Bislang verwendete Pläne
genügen den Anforderungen des neuen Rechts nur dann, wenn sie Maßangaben enthalten.
Die Maßangaben treten insofern an die Stelle der Abgeschlossenheit. Ihr Fehlen hat
materiell-rechtlich keine Konsequenzen, das Grundbuchamt muss die Anforderungen aber
verfahrensrechtlich zwingend beachten (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020,
Rn. 1712).

a) Vollzug der Teilungserklärung vor dem 1.12.2020

Art. 18 des WEMoG regelt, dass das Gesetz zum 1.12.2020 in Kraft tritt. Nur für die
Art. 3, 6 und 9 Nr. 4 sowie Art. 10-12 gilt etwas anderes, namentlich, dass sie am Tag
nach der Verkündung, also am 23.10.2020 in Kraft getreten sind. Da die Änderungen
des Wohnungseigentumsgesetzes in Art. 1 des WEMoG enthalten sind, treten diese
zum 1.12.2020 in Kraft. In den §§ 47 und 48 WEG n.F. sieht das Gesetz Übergangsvorschriften
vor, die jedoch entsprechend der Regelung zum Inkrafttreten ebenfalls erst
ab dem 1.12.2020 greifen.

Für den Vollzug der Teilungserklärung vor dem 1.12.2020 gilt dementsprechend das
alte Recht fort. Da das alte Recht keine Maßangaben verlangte, kann die Teilungserklärung
samt Gemeinschaftsordnung unproblematisch vollzogen werden.

b) Vollzug der Teilungserklärung ab dem 1.12.2020

Wird die Urkunde erst ab dem 1.12.2020 vollzogen, so sind die §§ 47 und 48 WEG zu
beachten. § 47 WEG enthält eine Regelung dazu, wie Altvereinbarungen ausgelegt
werden müssen. § 48 WEG regelt die Übergangsphase für die Eintragung von
Beschlüssen im Grundbuch (Abs. 1 bis Abs. 3), für die Bestellung eines zertifizierten
Verwalters (Abs. 4) und für die Vorschriften des Dritten Teils, also die verfahrensrechtlichen
Vorschriften für streitige Prozesse (Abs. 5). Eine Regelung für das Grundbuchverfahren
im allgemeinen oder für den Vollzug von Teilungserklärungen, die dem
neuen Recht noch nicht entsprechen, aber bereits beurkundet sind, enthält das Gesetz
nicht.

Möglicherweise kommt jedoch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG in
Betracht. Dieser bezieht sich zwar nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur auf den
dritten Teil des WEG, also auf die gerichtlichen Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer und dem Wohnungseigentümern, der Rechtsgedanke
der Norm kann jedoch möglicherweise auch für das Grundbuchverfahren als Teil der
freiwilligen Gerichtsbarkeit fruchtbar gemacht werden. Voraussetzung sind allerdings
eine planwidrige Regelungslücke, sowie eine vergleichbare Interessenlage.

Eine planwidrige Regelungslücke wird man bejahen können. Der Gesetzgeber hat in
§ 48 WEG für die sachenrechtliche Ebene der Teilungserklärungen keine Übergangsvorschriften
geschaffen. Eine Regelungslücke liegt damit vor. Diese wird auch planwidrig
sein, denn es kann kaum davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber in
bereits beim Grundbuchamt laufende Verfahren eingreifen wollte. Würde man die
Planwidrigkeit verneinen, so würde man dem Gesetzgeber unterstellen, dass er selbst
Teilungserklärungen, die Wochen oder Monate vor Verkündung der Reform im
Bundesgesetzblatt beim Grundbuchamt eingereicht wurden, den neuen Anforderungen
unterstellen möchte, obwohl die neuen Anforderungen an die Pläne diesbezüglich noch
gar nicht berücksichtigt werden konnten. Dies wäre mit einem erheblichen Aufwand
für die Grundbuchämter verbunden. Zudem wird man den Beteiligten einen gewissen
Vertrauensschutz zubilligen müssen, wenn sie vor Inkrafttreten der Reform dem
Gesetz konforme Pläne zum Grundbuchamt einreichen. Die Bearbeitungsdauer beim
Grundbuchamt darf insofern nicht zulasten der Beteiligten gehen. Auch ein Vergleich
mit anderen grundbuchrechtlichen Übergangsvorschriften zeigt, dass der Gesetzgeber
solche Fragen üblicherweise regelt. § 151 GBO sieht bspw. vor, dass Erklärungen, die
vor dem Inkrafttreten beurkundet wurden, nicht dem § 15 Abs. 3 GBO unterliegen,
also keine Prüfung auf Eintragungsfähigkeit durch den Notar vorgenommen werden
muss – auch wenn die entsprechende Erklärung erst nach dem Inkrafttreten im
Grundbuch vollzogen wurde. Gleiches gilt gem. § 493 Abs. 3 FamFG für das handelsregisterrechtliche
Pendant.

Die Interessenlage dürfte auch vergleichbar sein. Bei § 48 Abs. 5 WEG geht es zwar um
die (streitigen) zivilprozessualen Verfahren. Es ist aber nicht ersichtlich, warum man
nicht auch dem Grundbuchverfahren den gleichen Vertrauensschutz geben sollte. Hierfür
kann auch der in § 878 BGB niedergelegte allgemeine Rechtsgedanke fruchtbar
gemacht werden, der besagt, dass eine einmal abgegebene Erklärung nicht dadurch
unwirksam wird, dass der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die
Erklärung für ihn bindend geworden ist und der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt
gestellt worden ist. Diese Fälle beziehen sich zwar auf materiell-rechtliche
Verfügungsbeschränkungen. Der Gedanke, dass Veränderungen nach Antragstellung
im Allgemeinen nicht zulasten des Antragstellers gehen dürfen, lässt sich jedoch auch
auf das Grundbuchverfahren übertragen. Insofern könnte man einen Erst-Recht-
Schluss ziehen. Wenn nicht einmal der Verlust der materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis
dazu führt, dass eine Erklärung nicht mehr vollzogen werden kann, darf eine
zusätzlich geschaffene formale Hürde ebenso wenig den Vollzug hindern. Wir würden
im Ergebnis deshalb dafür plädieren, dass in analoger Anwendung des § 48 Abs. 5 auf
den Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt abzustellen ist. Zum gleichen
Ergebnis käme man, wenn man als Begründung eine Gesamtanalogie zu den §§ 151
GBO, 493 Abs. 3 FamFG, 48 Abs. 5 WEG heranzieht. Hierbei handelt es sich allerdings
um eine dogmatische Feinheit, die für die Praxis nicht entschieden werden muss.
Da es hierzu jedoch keinerlei Literatur oder Rechtsprechung gibt, sollte nach dem
Prinzip des sichersten Weges davon ausgegangen werden, dass ein Aufteilungsplan, der
TG-Stellplätze in Form des Sondereigentums vorsieht und keine Maßangaben enthält,
vor dem 1.12.2020 im Grundbuch vollzogen sein muss. Es sollten also entweder bereits
Pläne mit Maßangaben zugrunde gelegt werden (soweit dies noch möglich ist) oder ein
Vollzug bis zum 30.11.2020 bei dem Grundbuchamt erbeten werden.

Wir möchten jedoch nochmals darauf hinweisen, dass dies für die TG-Stellplätze, die
als Sondernutzungsrechte ausgestaltet sind, nicht gilt. Hierfür ergeben sich nach neuem
Recht keine Änderungen.

4. Zur Beurkundung von Gemeinschaftsordnungen nach altem Recht

Für die Gestaltung von Gemeinschaftsordnungen im Übergangszeitraum (bis zum
1.12.2020) gilt im Übrigen Folgendes: Gem. § 47 S. 1 WEG setzt sich im Zweifel die neue
gesetzliche Vorschrift gegenüber einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, die vor
dem 1.12.2020 beurkundet wurde, durch. Es wird vermutet, dass im Zweifel kein Wille
bestand, dass die alte Gemeinschaftsordnung vorrangig sein soll. Der Beweis des Gegenteils
muss sich aus der Vereinbarung selbst ergeben, § 47 S. 1 WEG. Es empfiehlt sich also, auch
vor dem 1.12.2020 beurkundete Gemeinschaftsordnungen (die amtliche Überschrift des
§ 47 WEG spricht schlicht von „Altvereinbarungen“) auf das neue Recht abzustimmen. Da
es sich bei § 47 S. 1 WEG jedoch nur um eine Auslegungsregel handelt, hindert diese
nicht den Vollzug der bereits nach altem Recht gestalteten Gemeinschaftsordnungen. Es
kann jedoch durch die Neuregelung zu Friktionen bei der Auslegung kommen. Es wäre
dementsprechend mit den Beteiligten zu erörtern, ob Anpassungen der Gemeinschaftsordnung
an das neue Recht gewünscht sind.

Sollen sich die abweichenden Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung auch gegenüber
dem neuen Recht durchsetzen, so muss eine entsprechende Klarstellung in der Gemeinschaftsordnung
erfolgen, um die Vermutung des § 47 S. 2 WEG zu widerlegen. Der dahingehende
Wille der Beteiligten muss sich aus der Vereinbarung selbst ergeben.

Gutachten/Abruf-Nr:

180895

Erscheinungsdatum:

13.11.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Normen in Titel:

WEG § 3 Abs. 1